Die Geschichte der Orgeln in der Schloßkirche Bonn

Die neue Klais-Orgel, die am 4. und 6. Mai 2012 feierlich eingeweiht wurde, ist das sechste Instrument seit Erbauung der Schloßkirche.

Die Orgeln der Schloßkirche im Überblick:

 1. Die Riedler-Orgel von 1784

Kurz nach Fertigstellung der Schloßkirche baute der Bonn Orgelbauer G. F. Riedler eine kleine Orgel, die wahrscheinlich auf der heute nicht mehr existierenden oberen Mittelempore aufgestellt wurde. Diese Mittelempore im zweiten Stockwerk diente wohl als Musikempore, sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder eingebaut. Über Größe und Disposition kann nur spekuliert werden, einiges spricht dafür, daß sie gut zehn Register auf einem Manual hatte und ein süddeutsch-italienisch beeinflußtes Instrument gewesen ist. Auf diesem Instrument haben sowohl Neefe als auch der junge Beethoven gespielt. Die Riedler-Orgel wurde 1822 an das Evangelische Lehrerseminar in Moers verkauft und dort aufgestellt. Nach 1870 befand sie sich in sehr schlechtem Zustand und wurde nicht weiter erhalten.

 

2. Die Weil-Orgel (1822-1913)

Nachdem die Schloßkirche 1816 evangelische Gemeinde- und
Universitätskirche geworden war, wurde ein Orgelneubau nötig, da die Riedler-Orgel den liturgischen Anforderungen des evangelischen Gottesdienstes nicht genügte und sich zudem in einem sehr schlechten Zustand befand. Die neue Orgel wurde von dem Neuwieder Orgelbauer J. G. Weil erbaut. Sie besaß in einem klassizistischen Prospekt 19 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Disposition war dem Zeitgeschmack entsprechend stark grundtönig. Der zum Teil sehr schlechte bauliche Zustand der Schloßkirche im 19. Jahrhundert verursachte oft Störungen und Schäden an dem Instrument, so daß viele, oft nur notdürftig ausgeführte Reparaturen notwendig waren.

 

3. Die Walcker-Orgel (1913-1929)

Seit 1900 fanden in der Schloßkirche Konzerte zur Finanzierung eines
Orgelneubaus statt, der dann 1913 durch die renommierte Ludwigsburger FirmaWalcker erfolgte. Das Gehäuse der Weil-Orgel wurde beibehalten. Die neue Orgel besaß 30 Register (einschließlich 6 Transmissionen) auf zwei Manualen und Pedal. Da diese gegenüber der Vorgänger-Orgel stark vergrößerte Anzahl an Registern im Gehäuse von 1822 nicht unterzubringen war, wurden die Pfeifen des zweiten Manuales (Schwellwerk) im vom Altar aus gesehen linken Eckvorsprung im zweiten Stock untergebracht. Die Traktur war pneumatisch, was besonders die Ansprache der Pfeifen des zweiten Manuales stark verzögerte, also eine sehr unangenehme Spielbarkeit mit sich brachte.
Die Disposition mit einer hohen (12) Anzahl an Achtfußregistern war typisch für die deutsche Spätromantik. In den zwanziger Jahren geriet die Schloßkirche in einen sehr schlechten baulichen Zustand, der auch die Walcker-Orgel in Mitleidenschaft zog. Unachtsamkeit während nötiger Renovierungsarbeiten und nie aufgeklärter Vandalismus während der Ostertage 1929 machten einen Neubau nach nur 17 Jahren unumgänglich.

 

4. Die Faust-Orgel (1930-1944)

Die neue Orgel des Orgelbauers P. Faust aus Schwelm wurde komplett auf
die obere Mittelempore und die angrenzenden Eckvorsprünge verlegt, lediglich der Spieltisch verblieb in der Mitte der unteren Mittelempore.
Die Orgel besaß auf zwei Manualen wie die Vorgängerorgel 30 Register, bei
allerdings nur vier Transmissionen. Es wurde Pfeifenmaterial der Walcker-Orgel wiederverwendet.
Die Traktur war elektro- pneumatisch. Die Disposition war wiederum stark der deutschen Spätromantik verpflichtet, zeigte aber schon erste Ansätze der aufkommenden Orgelbewegung. Die Faust-Orgel verbrannte bei der Zerstörung des Hauptgebäudes der Universität durch den großen Bombenangriff auf Bonn im Oktober 1944.

 

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Die Ott-Orgel von 1960, die bis 2011 in der Schloßkirche stand. Foto: Prestia

5. Die Ott-Orgel (1960-2011)

Nach dem 1957 abgeschlossenen Wiederaufbau der Schloßkirche dauerte es
noch drei Jahre, bis die neue Orgel des renommierten Göttinger Orgelbauers Paul Ott eingeweiht werden konnte. Sie wurde in der Mitte der unteren Mittelempore aufgestellt, die obere Mittelempore wurde nach dem Krieg nicht wieder eingebaut. Ott bestand auf Schleifladen und rein mechanischer Bauweise.

Die Orgel verfügte über 23 Register auf zwei Manualen und Pedal:

I. Hauptwerk C-g''':

Gedackt 16'

Prinzipal 8'

Holzflöte 8'

Schwebung 8'

Oktave 4'

Spillflöte 4'

Nasat 2 2/3'

Oktave 2'

Prinzipalquinte 1 1/3'

Sedezime 1'

Zimbel 1f.

 

II. Brustwerk C-g'''(schwellbar)

Gedackt 8'

Rohrflöte 4'

Waldflöte 2'

Terz 1 3/5'

Spitzquinte 1 1/3'

Scharff 2f.

Regal 8'

Tremulant

 

Pedal C-f':

Subbass 16'

Oktave 8'

Gedackt 8'

Quintade 4'

Bauernflöte 2'

Koppeln:

II-I / I-P / II-P

Betrachtet man die Disposition der Ott-Orgel , so fällt sofort der starke
italienische Anklang in der Registerverteilung des Hauptwerkes auf.
Dies ist sowohl für die Entstehungszeit der Orgel als auch für den Orgelbauer sehr ungewöhnlich.

Dieser Anklang zeigt sich 1. im Fehlen einer Zungenstimme, 2. in der Prinzipalschwebung, dem italienischen Register „Voce umana“
entsprechend, und
3. in der Teilung der Mixtur auf drei einzelne Registerzüge. Der Klang besonders der hohen Aliquotregister war sehr fein und glänzend und so dem hellen Raum der Schloßkirche optimal angepaßt.

Eine weitere Auffälligkeit ist das Ungleichgewicht des Brustober- und
Pedalwerks im Vergleich zum Hauptwerk. Das kleine Brustwerk zeigt einen
zeittypischen Aufbau mit relativ schwacher Gedackt 8‘-Basis. Es ist dem gut ausgebauten Hauptwerk an Tragfähigkeit kein angemessenes Gegenüber. Wahrscheinlich wurde es aus Platz- und auch Kostengründen so klein gehalten.
Im Pedal fehlt – wahrscheinlich wiederum aus Platzgründen – eine 16'-Zunge, die dem Plenum die notwendige Gravität verliehen hätte. Der labiale 16' ließ an Tragfähigkeit zu wünschen übrig.

Die Bauweise der Orgel war sehr kompakt, was einerseits eine gelungene
Einpassung in den
Raum ermöglichte, andererseits aber Stimm- und Reparaturarbeiten sehr erschwerte.

Wäre die Ott-Orgel von 1960 etwas größer und damit in der Disposition
ausgeglichener gebaut worden, so wäre sie in der Eleganz und der Feinheit
vieler ihrer Registerfarben ein ideales Instrument für die helle, vom späten Rokoko und beginnenden Klassizismus geprägte Schloßkirche gewesen.

Die Ott-Orgel wurde im Sommersemester 2011 mit mehreren Konzerten und Gottesdiensten verabschiedet, danach im Juli 2011 abgebaut.

Sie hat in der katholischen Wallfahrtskirche in Kälberau (Bistum Würzburg) eine neue Heimat gefunden, wo sie im April 2013 eingeweiht wurde. Akustisch und optisch fügt sie sich dort in den hellen Kirchenraum aus den fünfziger Jahren ideal ein.

Die Ott-Orgel an ihrem neuen Standort, der Wallfahrtskirche Maria zum rauhen Wind in Kälberau

 

 

Quellen:

 Thomas Hübner: ex oriente lux – die Orgeln in der Schloßkirche zu Bonn
von 1784-2012, i
n: Orgelpunkt. Die Geschichte und die Orgeln der Schlosskirche zu Bonn. Festgabe anläßlich der Einweihung der Klais-Orgel op. 1882, hrsg. von Thomas Hübner und Reinhard Schmidt-Rost, Rheinbach 2012, S. 133 ff.

 Miguel Prestia: Zum Abschied einige Gedanken zur Disposition der
Ott-Orgel, ebd., S. 129

 

 

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